Posted on October 26, 2015 at 9:00 AM
Die menschliche Fähigkeit, akustische Reize aufzunehmen und zu verarbeiten, hat ihren Entwicklungsbeginn bereits in der pränatalen Phase. Ab der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche ist ein menschlicher Fötus in der Lage, verschiedene akustische Reize wahrzunehmen (Gruhn, 2003).
Neben auditiven Reizen, die im Mutterleib entstehen (z.B. Herzschlag, Atmung und v.a. die Stimme der Mutter), gehören hierzu auch durch die mütterliche Bauchdecke gedämpfte Außengeräusche (z.B. Musik oder Straßenlärm). So konnten wissenschaftliche Studien belegen, dass ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat Außengeräusche u.a. die Bewegung von Ungeborenen beeinflussen (Kisilevsky, Fearon & Muir, 1998; Siegler et al., 2011).
Trotz vielfältiger akustischer Erfahrungen im Mutterleib, ist die Hörfähigkeit eines Neugeborenen zum Zeitpunkt der Geburt längst nicht ausgereift. Im Rahmen des gesamten hirnphysiologischen Wachstums, verfeinert sich das Hörvermögen v.a. in den ersten drei Lebensjahren stetig. Erst zwischen dem fünften und achten Lebensjahr erreicht die kindliche Hörfähigkeit Erwachsenenniveau (Siegler et al., 2011). Neben der hirnphysiologischen Entwicklung hat die Aufnahme und Verarbeitung akustischer Umweltreize dazu beigetragen, dass u.a. frequenz- und lautstärkebezogenes Hören, sowie die Fähigkeit zur Lokalisation von Schallquellen gänzlich entwickelt sind.
Fehlen Höreindrücke (z.B. aufgrund einer Reizarmut oder einer angeborenen Schwerhörigkeit), hat dies nicht nur schwerwiegende Konsequenzen für die weitere Entwicklung der Hörfähigkeit, sondern auch für den kindlichen Spracherwerb. Zwar ist die Fähigkeit zum Spracherwerb grundsätzlich genetisch determiniert (Pinker, 1998; Chomsky, 1988), jedoch ist das Erfahren und Erlernen einzelner Sprachlaute, sowie ganzer Lautmuster hierbei unabdingbar.
Ein jeder von uns kennt die Situation: ein Säugling plappert voller Begeisterung einzelne Laute nach, die von der Mutter geduldig immer und immer wieder vorgegeben werden. Zu Beginn der Sprachentwicklung spielen Sprachwahrnehmungskompetenzen demnach eine große Rolle. Doch auch die Sprachproduktion lässt nicht lange auf sich warten. Durchschnittlich im siebten Lebensmonat beginnen Babys mit der Produktion einfacher Lautfolgen, die ersten erkennbaren Wörter werden zumeist mit einem Jahr gesprochen. Mit ca. 1,5 Jahren erfolgt ein explosionsartiger Zuwachs des Wortschatzes. Täglich werden neue Wörter hinzugelernt.
Es folgt die Bildung von Zweiwortsätzen („Mia trinken.“), die nach und nach durch die Hinzunahme weiterer Wörter, sowie
der Befolgung grammatikalischer Regeln komplexer werden und damit eine Weiterentwicklung der kindlichen Sprachfähigkeit
erkennen lassen (Siegler et al., 2011). Im Verlauf der fortschreitenden Sprachentwicklung berücksichtigen die Kinder i.R.
einer sozialisierten Sprache vermehrt die Perspektive des Interaktionspartners und verbessern damit stetig ihre Fähigkeit
der Gesprächsführung, noch weit über das Grundschulalter hinaus (Lohaus et al., 2010).
Autorin: Dipl.-Psych. Sarah Schnitzler (c) 2012
Weiterführende Fachliteratur:
In unregelmäßigen Abständen veröffentlichen wir hier verschiedene Abhandlungen über akustische Themen. Aktuell sind die Folgenden online: