Posted on March 19, 2020 at 08:58 PM
Wenn vom Thema Video- / Webkonferenz bzw. Unifed Communications & Collaboration (UCC) gesprochen wird, liegt der Schwerpunkt zumeist auf der notwendigen Technik, deren Einsatz, Usability und Möglichkeiten. Doch heute wollen wir uns nicht auf die Technik konzentrieren, sondern mit einem Thema befassen, welches typischerweise weniger im Fokus steht, aber ebenfalls essentiell für eine gelungene Kommunikation und Zusammenarbeit ist: Die Raumakustik.
Auf technischer Seite bietet der Markt eine Fülle verschiedener Ansätze, Konzepte, Komponenten und Systeme an, die alle jeweilige Vorzüge und auch Einschränkungen beinhalten – sei es aus technischer oder monetärer Perspektive. Da aber auch die Zusammenfassung, Auf- und Gegenüberstellung der verschiedenen technischen Optionen ein interessanter Gegenstand für einen Artikel ist, werden wir uns diesem bald in einem weiteren Artikel widmen.
Heute geht es um die Raumakustik, die als Teil einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ein essentieller Faktor für die Qualität und Nutzbarkeit von Räumen für Videokonferenzen u.ä. ist. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch die Punkte Klimatisierung, Möblierung, Beleuchtung und Blendschutz in ihrer Wichtigkeit nicht unterschätzt werden sollten.
Oftmals ergeben sich in Gesprächen dazu Fragen wie: „Aber warum und wofür ist die Raumakustik in der AV-gestützten Kommunikation wichtig?“ „Die Technik ist doch schon so weit / so teuer, kann die das nicht kompensieren / rausfiltern?“. Nun, für die Sprach-Kommunikation zwischen zwei entfernten Räumen mittels AV-Technik ist jeweils die gesamte Signalkette zwischen dem Mund des Sprechers und dem Ohr des Zuhörers zu betrachten. Zu dieser Signalkette gehören dabei jedoch nicht nur die technischen Geräte wie Mikrofone, Lautsprecher, Übertragungstechnik etc. sondern auch, in nicht zu unterschätzendem Maße die akustische Umgebung in den Räumen des Sprechers und des Hörers.
Die akustische Situation im Raum wird im Wesentlichen durch Reflexion und Absorption („Rückwurf und Schlucken“) von Schall (also auch Sprache) bestimmt und v.a. durch das Maß der Nachhallzeit charakterisiert. Die Nachhallzeit beschreibt dabei vereinfacht die Zeit die vergehen muss, damit ein Schallereignis vollständig verklingt. Bestimmt wird die Nachhallzeit durch die Art der den Raum begrenzenden Flächen, also Wände, Decken, Boden und Mobiliar. Dabei schlucken z.B. poröse / weiche Materialien (wie Vorhänge, Polstermöbel, Teppiche) mehr Schall als harte Materialien wie Fliesen, Putz, Beton, Glas o.ä., so dass die Nachhallzeit bei Verwendung vieler schallschluckender Materialien kürzer wird.
Die Länge der Nachhallzeit ist nun wiederrum ein entscheidendes Kriterium für die erzielbare Sprachverständlichkeit. Wichtig dabei ist, wieviel direkter, also unbeeinflusster Schall (d.h. in diesem Fall Sprache) bei Hörer ankommt im Verhältnis zum reflektierten, also durch den Raum beeinflussten Schall. Ist dieses Verhältnis groß, also die Sprache wenig verhallt, ist die Sprachverständlichkeit gut. Steigt der Hallanteil verschlechtert sich die Sprachverständlichkeit. Somit ist also eine kurze Nachhallzeit für eine gute Sprachverständlichkeit nötig.
Nun stellt sich die Frage, ob sich dies nicht mit hochwertiger Technik kompensieren oder gar „rausfiltern“ lässt. Ganz ohne Zweifel sind gezielte, auf die konkrete Nutzung und Raumgröße angepasste technische Maßnahmen, welche bereits schon bei der Planung einer Beschaffung bzw. Installation betrachtet werden sollten, eine wichtiger Faktor für die erzielbare Sprachverständlichkeit. Diesbezüglich sind ein passendes Lautsprechersetup, sowie eine stimmige Mikrofonkonfiguration die wichtigsten Faktoren.
Das oben beschriebene relevante Verhältnis von direktem zu reflektiertem Schall lässt sich dabei zum einen durch die Richtwirkung von Mikrofon bzw. Lautsprecher verbessern, indem weniger reflektierter Schall aufgenommen wird (Mikrofon) bzw. weniger Schall auf reflektierende Flächen abgestrahlt wird (Lautsprecher). Zum anderen lässt sich der Direktschallanteil erhöhen indem der Abstand von Sprecher zu Mikrofon bzw. Zuhörer zum Lautsprecher reduziert wird.
Doch hier sind technische, nutzungsbedingte und auch monetäre Grenzen gesetzt. Die Physik beschränkt die Wirksamkeit von Mikrofonen und Lautsprechern, speziell wenn im Fall von Mikrofonen der Abstand zu den Sprechern wächst. Andererseits ist selten eine Mehrzahl von Mikrofonen in direkter Nähe zu den Sprechern (d.h. Einzelmikrofonierung - wie es im Bereich von Auditoriumsveranstaltungen z.B. nötig und üblich ist) mit den typischen Arbeitsweisen im Rahmen einer Videokonferenz adäquat umsetzbar bzw. gewünscht.
Während also im Rahmen der technischen Ausrüstung und Gestaltung im Rahmen der oben aufgeführten Grenzen Optimierungen möglich sind, ist ein „Rausfiltern“ von Nachhall hingegen leider nicht möglich. Im Grunde verhält es sich wie mit einer Suppe: Das einmal zu viel eingerührte Salz lässt sich nicht mehr herausholen.
Entscheidend ist bei einer Videokonferenz weiterhin, dass man nicht nur selbst sein Gegenüber gut versteht, sondern man ebenso dafür sorgen kann und muss, dass man vom Gegenüber verstanden wird. Ist die Raumakustik und auch Mikrofonkonfiguration in einem Konferenzraum unzureichend, kann das Gegenüber die beste Ausstattung (technisch und akustisch) besitzen – die Sprachsignale kommen dort bereits schlecht verständlich an und können nicht wieder verbessert werden.
Zudem ist ein Effekt zu beachten, der bisher noch nicht angesprochen wurde: die Hörsamkeit im Raum selbst. Für diese ist es nötig, dass das Niveau von Störgeräuschen niedrig und das Hörempfinden angenehm und behaglich ist. Auch hier ist die Nachhallzeit ein wichtiger Faktor: Angemessene Nachhallzeiten helfen das Störgeräuschniveau zu reduzieren und ermöglichen ein behagliches Hörempfinden in den typischen für Videokonferenzen verwendeten Räumen.
Als Zielsetzung zur Gestaltung der Raumakustik lässt ein konkreter Sollwert für die anzustrebende Nachhallzeit mit Hilfe der DIN 18041:2016 „Hörsamkeit in Räumen“ ermitteln. Gemäß dieser Norm ist ein Video-Konferenzraum in die Norm-Kategorie A4 einzuordnen, welche die höchsten Anforderungen an Räume für Sprachkommunikation stellt. In einem Raum dieser Art ist es möglich, eine Kommunikation mit mehreren, teilweise gleichzeitigen Sprechern und auch z.B. fremdsprachlicher Nutzung zu führen.
Unter Zuhilfenahme der folgenden Grafik (oder der zu Grunde liegenden Formeln) lässt sich nun anhand des Raumvolumens der Sollwert der Nachhallzeit ermitteln.
Handelt es sich beispielsweise um einen kleinen „Huddle-Room“ mit ca. 45 m³ Volumen (etwa 4,5 x 3,5 x 2,75 m Größe) liegt der Sollwert bei 0,29 sec. In einem größeren Raum von 150 m³ liegt der Sollwert bei 0,55 sec.
Um zu ermitteln wie ein bestehender Raum raumakustisch zu optimieren ist, um den aufgeführten Anforderungen zu genügen, sollte im Optimalfall ein Raumakustiker hinzugezogen werden, der die Ist-Situation messtechnisch erfasst und die nötigen Maßnahmen berechnet.
Eigenständig lassen die nötige Maßnahmen mit der folgenden Formel überschlägig berechnen:
Liegt beispielsweise das Volumen (V) eines kleinen Raums bei 45m³ und die Nachhallzeit im Ist-Zustand bei 1,0 sec (TIst), ist der Sollwert (TSoll) 0,29 sec. Daraus ergibt sich eine zusätzlich hinzuzufügende sog. äquivalente Absorptionsfläche von ca. 17 m², wobei die äquivalente Absorptionsfläche der mit einem optimalen Absorber zu belegende Fläche entspricht. Bei unserem Beispielraum wären damit die gesamte Decke (15m²) und ca. 2 m² Wandfläche mit einen hochwirksamen Akustikmaterial zu behandeln.
Um dies nun in der Praxis umzusetzen kommen vornehmlich spezielle Schallabsorber zum Einsatz. Schallabsorber bestehen grundsätzlich aus Materialien, die in der Lage sind, Schallenergie zu vermindern. Dies geschieht beispielsweise durch die Umwandlung des Schalldrucks in Wärme oder Bewegungsenergie. Es können verschiedene Arten von Schallabsorbern unterschieden werden: Schallabsorber für die Deckengestaltung (z.B. perforierte, gerasterte oder geschlossene Akustikdecken), für die Wandgestaltung (z.B. Akustikpaneele, Wandabsorberelemente, Akustikvorhänge) und Bodenbeläge (z.B. ein schwerer Teppich oder spezielle Akustikdoppelböden).
Bzgl. all dieser Materialen gibt es neben den reinen akustischen Kriterien eine Vielzahl von spezifischen Eigenschaften, die für die Auswahl herangezogen werden können. Es beginnt mit der optischen Gestaltung und den verwendeten Materialien, über die Möglichkeiten zur Reinigung und Renovierung, Beständigkeit gegen äußere Einflüsse, Brandschutz u.ä. bis hin zu monetären Aspekten.
Festhalten lässt sich dabei, dass grundsätzlich für fast jeden Gestaltungswunsch und nahezu jedes Budget Möglichkeiten der Umsetzung bestehen. Herausfordernder ist jedoch häufig Budget und Gestaltung / Optik in Einklang zu bringen, da sich allgemein hierbei festzuhalten ist, dass höherer optischer Anspruch mit erhöhtem Budgetbedarf einhergeht - oder kurz und knapp: „schöner“ ist zumeist auch teurer…
Bei diesem, teilweise nicht unerheblichen Aufwand stellt sich natürlich die Frage, ob der Unterschied denn überhaupt zu hören ist.
Hierzu haben wir für Sie vier Hörbespiele vorbereitet, die anhand eines typischen Besprechungsraums (ähnlich unseres Beispiels aus der vorhin durchgeführten Berechnung) die Unterschiede verdeutlichen. Hierzu haben wir in spezieller Akustiksimulationssoftware einen entsprechenden Raum erstellt, mit typischem Mobiliar eingerichtet und einen Sprecher und ein Mikrofon an typischen Positionen eingefügt. Diesen Raum haben wir dann in vier verschiedenen Varianten akustisch ausgestattet und eine Sprachübertragung als Hörbeispiele hörbar gemacht.
Sie können sich mit den folgenden Varianten einen Eindruck über die Wirksamkeit machen:
In unregelmäßigen Abständen veröffentlichen wir hier verschiedene Fallbeispiele zu unserer Arbeit. Aktuell sind die Folgenden online:
Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme bei jeder noch so kleinen oder großen Fragestellung.